„Sehr wahrscheinlich“ soll am 21.12. die Zulassung des ersten Corona-Impfstoffs in Deutschland ausgesprochen werden, dann wird es wohl noch ein paar Tage dauern, bis mit dem Impfen konkret begonnen werden kann – aber der Impfstoff wird sozusagen direkt als Geschenk „unter dem Weihnachtsbaum“ erwartet.
Da Parallele zum ADVENT ist augenfällig, hier wird die Ankunft des Retters erwartet, dort die Ankunft des Impfstoffs, der für viele Menschen auch „Retter-Qualitäten“ hat.
Frage: Inwiefern sind der Corona-Impfstoff und Jesus Christus zu vergleichen?
Erste Unterfrage: Können, sollen auch Christen den Impfstoff, also eine „wissenschaftliche Hilfe“ erwarten? – Ich denke, klar. Ich sehe in der Bibel keine Ablehnung menschlicher Möglichkeiten. Was Menschen tun können, um eine Situation abzuwenden, sollten sie auch tun – eine grundsätzliche Ablehnung dessen wäre auch wohlfeil, da wir heutzutage (aber, das war auch zu biblischen Zeiten schon so) die Qualitäten und Sicherheiten unseres Lebens zum großen Teil menschlichen Erfindungen und Errungenschaften verdanken. Dies abzulehnen, würde einer selbstverordneten „Steinzeit“ gleichen. Es gibt zwar so etwas (siehe „Amish People“), aber das würde doch für die meisten Christen eine extreme Änderung des Lebensstils bedeuten, die m. E. auch gar nicht nötig ist. Allerdings: bei in der Zukunft liegenden Änderungen gibt es – sowohl bei gläubigen Christen als auch bei anderen Menschen – ein deutlich größeres Maß an Misstrauen als bei Dingen, die sich längst bewährt haben. Das ist ja im Einzelnen auch verständlich, man denke aber daran, was wäre, wenn sich die Bedenkenträger gegen das Automobil, die Eisenbahn, den elektrischen Strom – und eben auch gegen diverse medizinische Behandlungen, die heute Standard sind – durchgesetzt hätten… Ich glaube kaum, dass Gott die Errungenschaften des modernen Menschen missgünstig als Konkurrenz zu sich selbst beäugt, sondern dass er sie uns als Segen zuteil werden lässt.
Allerdings gibt es nun eben Dinge, die wissenschaftlich und menschlich nicht aus der Welt geschafft werden können; es gibt vorallem EIN DING, bei dem das so ist, und dass ist unsere Beziehung zu Gott, unsere – „transzendente Zugehörigkeit“ (wenn man so will), der tiefe Sinn unseres Lebens, unsere – und hier sind wir wieder beim Advent – RETTUNG in einem umfassenden Sinn, auf unser ganzes Leben bezogen und über die Grenze des Todes hinaus. Und das ist etwas, wonach wir uns auch sehnen, und dieses Sehnen spielt auch in unser alltägliches Leben immer wieder hinein. Ich hörte eine „adventliche Geschichte“, die von einem Mann handelt, der, obwohl kein religiöser Mensch – sich eines Tages dringend vor die Frage gestellt sieht, was er mit dem Rest seines Lebens anfangen soll. Er beschließt, sich an Gott zu wenden, spricht nervös ein ungelenkes Gebet „Herr Gott, gib mir ein Zeichen!“ und wartet dann auf Antwort. – Bis dahin finde ich das eine spannende und faszinierende Geschichte. Sie geht dann aber so weiter, dass der Mann in dieser Geschichte nichts hört und sich für den Rest seines Lebens einen Reim darauf macht, warum Gott ihm nicht antwortet. Seine Idee: „Gott denkt über mich nach!“ – das erfreut ihn und hat in seinem Leben durchaus positive Folgen, er geht achtsamer durch´s Leben, wendet sich aufmerksamer seinen Mitmenschen zu und empfindet zwischen Gott und sich selbst ein „stilles Einvernehmen“.
Nichts gegen Achtsamkeit und Mitmenschlichkeit, und nichts gegen Trost! – Aber das Narrativ, das in der Geschichte drinsteckt, ist sozusagen „Anti-Advent“. Denn Gott kommt ja gar nicht. Nur der Mensch geht mit der Situation um, dass er nicht kommt. Er richtet sich mit dem Nicht-Kommen Gottes ein, erfindet dafür fromme, gute, erbauliche Erklärungen. Es ist zu befürchten, dass dies das Narrativ nicht nur von Atheisten ist, die Gott für Einbildung halten, sondern auch das Narrativ eines Großteils der Christlichen Kirche. Die Kirche tritt dann an die Stelle Gottes und füllt das Vakuum; wo Gott nicht antwortet, hilft die Kirche institutionell und seelsorgerlich, „trotzdem ein frommer Mensch zu sein“.
Auch nichts gegen die Kirche! Die Christliche Kirche ist Gottes Willen und Plan. Aber dieses Narrativ (also dieses Verständnis von sich selbst) geht am entscheidenden Punkt des christlichen Glaubens vorbei: dass nämlich Gott tatsächlich da ist und uns antwortet – persönlich und weit über das hinaus, was wir uns als Menschen und Christliche Kirche organisieren können. Wenn es in der Bibel über Jesus Christus heißt: „Sprich nur ein Wort – und meine Seele wird gesund!“ dann ist DAS damit gemeint, dass Jesus uns selbst antwortet. Es reicht keinesfalls aus, nur die Regeln kirchlicher Organisationen zu hören und zu befolgen, und es reicht auch nicht aus, die eigenen „religiösen Fähigkeiten“ zu entdecken und auszuleben. Nein, sondern wir benötigen auf unsere Frage nach Gott eine persönliche Antwort direkt von ihm, eine lebendige Begegnung mit ihm. Und genau darum geht es beim Advent und bei Weihnachten: das Kommen Jesu Christi als Mensch auf die Erde stößt die Tür zu dieser persönlichen Antwort auf, es IST genau genommen die Antwort. Die Bibel, das Wort Gottes, leitet sich völlig von diesem Kommen Jesu ab, und es kann sich in unserem Leben entfalten.
Hier kommt nochmal der Impfstoff ins Spiel. Wenn ich auf den Impfstoff hoffe, was ich tue, dann deshalb, weil er tatsächlich einen sachlichen, faktischen Nutzen hat: ein molekularer Wirkstoff befähigt meinen Körper, das Corona-Virus zu besiegen. Es reicht NICHT aus, dass ich an den Impfstoff GLAUBE, es ist keine Sache von Mentalität o.ä. – Genau so ist es auch bei Gott: es reicht nicht aus, dass ich GLAUBE, dass Gott mir eine Antwort gibt, sondern ich benötige faktisch eine persönliche, substanzielle Antwort von Gott. Insofern möchte ich Jesus Christus mit dem Corona-Impfstoff vergleichen und wünsche allen frohe Weihnachten…