Die Gründe dafür (ich redete heute in der Sendung darüber) lassen sich in drei Ursachen unterteilen: ich war in Israel beim „March of The Nations“
a) als Mensch b) als Deutscher und Tübinger c) als Christ.
Zunächst: was will der „March of The Nations“ eigentlich? Er ist eine Initiative, die hier aus Tübingen stammt, vom Marsch des Lebens e.V. Dieser wiederum will 1. an den Holocaust erinnern, 2. Versöhnung zwischen Deutschen und Juden suchen, 3. Zeichen setzen gegen den heutigen Antisemitismus und für Israel. Der „Marsch des Lebens“ ruft dazu aus, „Märsche des Lebens“ in allen Städten und Regionen zu veranstalten, in denen einerseits früher der Holocaust sich zutrug, andererseits heute Antisemitismus sich zuträgt. Dies betrifft natürlich zunächst Europa, aber auch in vielen anderen Nationen, vorallem in Nord- und Südamerika, fanden schon „Märsche des Lebens“ statt. – Beim „Marsch des Lebens“ in Israel liegt der Schwerpunkt naturgemäß besonders auf der Solidarität mit dem Staat Israel, deswegen heißt er, wenn er dort stattfindet, auch „March of the Nations“ – Das war also zunächst mal der Anlass, weshalb ich jetzt in Israel war, und die Gründe für die Teilnahme am „March of the Nations“ lassen sich nach den eingangs genannten Kategorien aufteilen. Sie sind teilweise für jeden logisch ersichtlich, teilweise aber auch eine persönliche und vielleicht etwas geheimnisvolle Sache…
a) sollte man sich natürlich schon ganz allgemein als Mensch an den Holocaust erinnern – ein Menschheitsverbrechen gigantischen und einzigartigen Ausmaßes!
b)1) Der Holocaust wurde ja von Deutschland aus verbrochen – also ist es schon allgemein für mich als Deutscher die Geschichte meines Landes. b)2) Tübingen hat für den Holocaust leider eine besonders unrühmliche Rolle gespielt, denn die Stadt war während der Nazi-Zeit ideologisch „ganz vorne dran“, und hier an der Uni wurden besonders viele Executoren des Holocausts geprägt – es ist also auch als Tübinger die Geschichte meiner Stadt. b)3) Meine persönlichen Vorfahren waren ja auch konkret am Holocaust beteiligt. Mein Opa war zum Beispiel bei der „Operation Barbarossa“ dabei, dem Überfall auf die Sowjetunion, und er zog damals in wenigen Wochen als Teil des „Vernichtungsfeldzugs“, bei dem alle Juden gesucht, zusammengetrieben und erschossen wurden, quer durch die heutige Ukraine. Es ist also auch meine persönliche Familiengeschichte.
c) Auch die Christliche Kirche hat leider ihren massiven Anteil daran, dass der Holocaust sich ereignen konnte. Praktisch seit Beginn der Kirche gab es darin massive antisemitische Tendenzen, den sog. „Antijudaismus“ (der die Juden als „verworfenes Volk“ deklarierte, weil sie Jesus umgebracht hätten usw.) Das gab es auch noch und wieder ganz massiv bei Luther, auf den ja das evangelische Bekenntnis zurückgeht, dem ich angehöre – also ist der Holocaust auch als Christ die Geschichte meiner Kirche.
Während die vorgenannten Punkte für jeden ersichtlich sein sollten, gibt es für mich auch noch folgende Ursache, die vielleicht für manche geheimnisvoll erscheinen möchte, über die ich trotzdem reden möchte… Die Bibel gibt immer wieder Zeugnis davon, dass Gott zu Israel und zu Jerusalem eine ganz besondere Beziehung hat. Dass Israel sein erwähltes Volk ist, dass Jerusalem sein erwählter Ort ist. Das habe ich lange mit einer Mischung aus Respekt und Irritation zur Kenntnis genommen – respektiert, anerkannt, auch irgendwie „geehrt“ habe ich es schon, seit ich Christ geworden bin, weil ich wusste, seitdem Jesus in mein Leben getreten ist, dass er der Gott der Bibel ist, dessen Geschichte eben diese ist, die das Alte Testament ist, die Geschichte mit dem Volk Israel, und auf die das Neue Testament zentral Bezug nimmt – aber so „als Heide“ dachte ich doch auch: „Warum macht Gott da so einen Unterschied?“ Sollte Gott nicht alle Menschen gleich lieben? usw. – Inzwischen habe ich mehr und mehr begriffen, dass Gottes Liebe kein menschliches oder abstraktes Konzept ist, sondern dass sie sich eben in seinem Handeln vollzieht, und dieses ist vom Beginn aller Schöpfung an die Erwählung, die Gnade in Jesus Christus – Das gibt mir nochmal eine andere Sicht auf Israel, auf Jerusalem, das dabei so eine zentrale Rolle hat… ich würde das nicht „religiöse Begeisterung“ nennen wollen, es ist nicht so, dass mich jetzt quasi jeder Stein in Jerusalem und jede Bewegung etwa des Staates Israels euphorisieren würde… ich kann es eigentlich gar nicht gut erklären und möchte doch davon sprechen. – Es ist vielleicht, dass zum zuvor genannten Respekt, der Anerkennung, der Ehrerbietung auch Liebe hinzugekommen ist, nicht nur dem Gott der Bibel gegenüber, sondern auch namentlich seinen Wegen mit Israel… die ja übrigens auch von Beginn an mit darauf ausgerichtet waren, alle Nationen, alle Menschen zu erreichen, zu segnen und zu retten… Deswegen bin ich inzwischen auch gern in Israel und Jerusalem. – Ich habe schon früher in meinem Twitter-Account darüber reflektiert, ausgehend von Erlebnissen bei diesem Israel-Aufenthalt.