Mit den Juden haben wir ja eine doppelte Verbindung – erstens als Christen und zweitens als Deutsche. Beides kann man auch als Hypotheken betrachten. Sowohl als Christen als auch als Deutsche haben wir die Juden geschnitten, verfolgt, getötet. Gleichzeitig ist durch Gottes Gnade auch eine Chance daraus geworden. Wenn Außenminister Westerwelle jetzt – anläßlich des Streits um die EU-Erklärung zum Nahost-Konflikt – wieder von der besonderen Beziehung Deutschlands zu Israel spricht, dann wird dies in Israel dankbar zur Kenntnis genommen. Und auch diejenigen Christen, die sich den Juden mit wirklichem Interesse und einer demütigen Haltung hinsichtlich der antisemitischen Tradition des Christentums nähern, werden, wie mir scheint, zunehmend positiv betrachtet.
Tuvia Tenenbom sagt an einer Stelle des Interviews: „Um den Antisemitismus zu bekämpfen, muß man erstmal verstehen, was der Judaismus überhaupt ist…“ – als Ausdruck dieses Anliegens kann man diese Interviews verstehen. Ich wollte Juden kennenlernen, ihre Denkweisen und Persönlichkeiten – und da sind mir gleich zwei ganz unterschiedliche Juden begegnet. Der eine – Moshe Grusgott – ist vielleicht „etwas repräsentativer“ als der andere, aber es zeigt sich, dass die Juden weltweit eine äußerst heterogene Gruppe von Menschen sind, die allerdings auch etwas sehr Starkes verbindet, das tausende Jahre Verfolgung überdauert hat. Das ist ja wirklich ein Geheimnis, das dahinter steckt. Tuvia Tenenbom, der Theaterregisseur, nennt es „die Kultur des Fragezeichens“. Für Moshe Grusgott ist es der Gott der Tora. Vielleicht wären beide auf ihre Weise mit der neutestamentlichen Formulierung einverstanden: sie sind „Nachkommen Abrahams“ (Römerbrief Kap.11 Vers 2) In demselben Vers steht auch jener „hymnische Satz“, den jeder Christ als Überschrift zum Thema „Juden“ denken sollte: „Gott hat sein Volk nicht verstoßen.“
Interview mit Tuvia Tenenbom („The Jewish Theater of New York“ Tracks 1-3
Interview mit Rabbi Moshe Grusgott (Synagoge „Ramat Orah“, New York) Tracks 4-5