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Tuvia Tenenbom der Schrille

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(Interview am 28.1.13)

Über Tuvia Tenenbom, mit dem ich freundschaftlich verbunden bin, würde ich folgendes sagen (weil er und sein Buch „Allein unter Deutschen“ ja gerade sehr umstritten sind):
Kann man ihm alles unbesehen glauben? Nein.
Sollten wir ihn anhören? Ja.

Bei den Recherchen zu seinem Buch war ich für eine kurze Zeit selbst dabei, nämlich als er hier in Tübingen und Umgebung unterwegs war. Was er dann über diese Ereignisse und Gespräche schreibt, ergibt aus meiner Sicht teilweise ein missverständliches oder sogar falsches Bild. Er schreibt ungeheuer pointiert, wobei er manche Dinge überspitzt, mit anderen nachlässig umgeht. Es liegt dann nahe zu vermuten, dass es sich auch bei anderen Schilderungen in seinem Buch ähnlich verhält.

Dennoch sollten wir ihm zuhören, denn er bringt einen bestimmten Sachverhalt sehr eindrücklich auf den Punkt: dass nämlich der Antisemitismus, eine Mischung aus Vorurteilen, Angst und Abscheu gegenüber Juden, sich in einem modernen gutmenschlichen Kleid verstecken kann. Zum Beispiel darin, dass wir als Deutsche heute besser wissen, was für Israel gut ist, als Israel selbst. und es geradezu als Passion begreifen, das moderne Israel zu belehrmeistern. Die wir vor siebzig Jahren noch die Juden systematisch ermordet haben, sind zu ihren Moralaposteln geworden?!

Tuvia Tenenbom behauptet, dass noch heute 80% der Deutschen antisemitisch denken. Warum reagieren jetzt viele so gekränkt auf diese Behauptung, wo doch auch Wissenschaftler empirisch belegen, dass 15-20% der Deutschen antisemitisches Gedankengut kultivieren. Es IST eine gesellschaftliche Größe, im Land, das den Holocaust hervorbrachte. Bevor wir uns über Tuvia Tenenbom, den schrillen Theaterregisseur aufregen (denn auch sein Buch ist ein theatralisches Werk), müssen wir uns selbst prüfen. Vor achtzig Jahren wurde Hitler Reichskanzler. Tenenbom sagte letzten Montag im Interview: der hat den Antisemitimus nicht erfunden, sondern nur aufgegriffen, was sowieso vorhanden war.

Übrigens äußert Tuvia Tenenbom auch die Hoffnung, dass die Deutschen einmal zum stärksten Bollwerk GEGEN den Antisemitismus werden könnten. Auf die Frage, wie er denn jetzt darauf komme, verweist er auf den deutschen Wiederaufbau nach dem Krieg: „Deutschland war total am Boden, völlig zerstört, völlig unter Scham – und heute: die mächtigste Nation Europas! Ihr habt alles wieder aufgebaut! Wenn ihr das tun könnt, was kein anderes Land in der Welt kann, so hoffe ich, werdet ihr auch eines Tages euren Hass erkennen (und ablegen) und euren Geist von Grund auf wieder aufbauen!“

Ein Kommentar

  1. Als Ergänzung eine Erklärung des Buchenwald-Komitees am 28.4.2013, genau drei Monate nach der Aufzeichnung o.g. Beitrages

    https://www.youtube.com/watch?v=QW-i_DEYsiI

    Abstract:
    Seit dem Jahr 2012 greift der Regisseur Tuvia Tenenbom die Arbeit an der Gedenkstätte des KZ Buchenwald und Mittelbau-Dora als „Disneyland“ an. Die Äußerungen in seinem Buch „Allein unter Deutschen: Eine Entdeckungsreise“ hält die Berliner Rabbinerin Gesa Ederberg, die sich ebenfalls von ihm verhöhnt fühlt, als „oberflächliches Geschmiere“. Als humorvoller, provokanter Reisebericht jedenfalls, wie der Suhrkamp-Verlag das Buch gern vermarkten möchte, eignet sich der Text offenbar an einigen Stellen wohl nicht und veranlasst zum 68. Jahrestag der Befreiung, am 16.04.2013, das Internationale Komitee Buchenwald-Dora und Kommandos und den Beirat der Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald zur folgenden Erklärung.

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